Michael Köhlmeiers Stück „Der liebe Augustin. Eine Ballade fürs Theater in 57 Bildern“ entstand 1995 als Auftragswerk der Bregenzer Festspiele. Die Figur des lieben Augustin entstammt der Erzählung „Wohlangefüllter Weinkeller“ des Augustinermönchs und Predigers Abraham a Sancta Clara (1644-1703). Nach dieser Quelle wurde ein betrunkener Dudelsackpfeifer während der Pestepidemie 1679 irrtümlich in die Pestgrube geworfen, aus der am nächsten Morgen musikalische Hilferufe drangen. Er wurde zwar befreit, starb aber wenige Tage später an der Pest. Im Volksmund wurde der liebe Augustin zum Schelm, der der Gefahr und dem Tod zum Trotz musiziert und die Pest überlebt. Der liebe Augustin ist ein "Spieler" - aus der bürgerlichen Welt ausgeworfen, ob durch eigenes Verschulden oder äußere Umstände, ist in diesem Fall ohne Belang - ein Überlebenskünstler aus seiner Not heraus, ein Anarchist der Liebe, ein Phantast, ein Poet des unorganisierten Widerstandes - Not macht erfinderisch und der Glaube an die Liebe macht frei. Der Köhlmeier´sche Augustin legt sich mit dem Tod nur so weit an, als er ihm keinerlei Respekt erweist. Mit seinem unbeeindruckten „Na und!“ - nicht aus Naivität, sondern aus Illusionslosigkeit - tritt er der Welt entgegen. Damit unterscheidet er sich von den Einflußreichen und ihren willigen Dienern, die beim Zusammenbruch althergebrachter Strukturen völlig den Boden unter den Füßen und den Verstand verlieren. Die Pest in dem Stück ist als Parabel zu verstehen, sie verweist auf die menschliche Verödung im modernen Leben: Wo vorher kein Inhalt war, bleiben auch nachher nur sinnentleerte Hülsen übrig. |